Thema

DerGrenzstreifenwirdFreiraum

1990
– 2013

Freiflächen erobern

In den 1990er und 2000er Jahren gab es in Berlin wenig Geld, aber viel Platz, auch an der Mühlenstraße. In die umliegenden ungenutzten Industriehallen zogen Clubs wie Ostgut, Maria, Deli und später YAAM ein. Im leeren Grenzstreifen hinter der East Side Gallery siedelten sich junge Menschen aus der ganzen Welt in Bauwagen an. Später wurden die freien Flächen schrittweise verkauft. Die Wagenburgen wurden geräumt und die Clubs mussten umziehen.

„Als die Mauer fiel, war erst mal alles erlaubt.“

Erik Mahnkopf, 2021 (Ost-Berliner Style Writer)

Der Oststrand und das Strandgut mussten 2012 schließen, 2003
Der Oststrand und das Strandgut mussten 2012 schließen, 2003

Party im Niemandsland

Techno war die Musik der Generation, für die nach dem Fall der Berliner Mauer plötzlich alles möglich schien. Das Ostgut empfing sie seit 1998 in einer leerstehenden Halle an der Mühlenstraße. Hier hatte jede und jeder das Gefühl, frei zu sein und sich ausleben zu können. Sexuelle Orientierung, Aussehen und Herkunft spielten keine Rolle. Als das Gelände an die Anschutz Entertainment Group verkauft wurde, musste das Ostgut umziehen. Wenige Straßen entfernt lebt sein Nachfolger weiter: Das Berghain spielt weiter Techno und ist heute weltberühmt.

Flyer des Clubs Ostgut
Flyer des Clubs Ostgut

„Die Initialzündung für Techno in Berlin war der Mauerfall.“

Jim Avignon, 2021(Künstler: Doin it cool for the East Side)

Club Maria am Ostbahnhof, 1998
Club Maria am Ostbahnhof, 1998

Denkmalschutz mit erzwungenen Kompromissen

Das Bild Masken wurde für die neue Schiffsanlegestelle der Anschutz Entertainment Group versetzt, 2006
Das Bild Masken wurde für die neue Schiffsanlegestelle der Anschutz Entertainment Group versetzt, 2006

Der Erhalt der East Side Gallery war seit 1990 umstritten. Für den Denkmalschutz zählte ihre historische Bedeutung, für die Stadtentwicklung stand sie der Bebauung des Flussufers im Weg. Das Ergebnis der langjährigen Aushandlungsprozesse: Die Galerie blieb, aber sie bekam Lücken. 2001 begann der Verkauf freier Baugrundstücke. Mauerteile wurden versetzt, um Zufahrten zu den neuen Gebäuden zu schaffen. 2009 ließ der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und das Land Berlin die East Side Gallery für mehr als zwei Millionen Euro sanieren und sicherte ihre Existenz langfristig. Seit 2018 ist die Stiftung Berliner Mauer für sie zuständig.

Die Beständigkeit der Ignoranz

Karsten Wenzel, Die Beständigkeit der Ignoranz, 2009 © Stiftung Berliner Mauer, Foto: Günther Schaefer

Der Ost-Berliner Karsten Wenzel erinnerte 1990 mit seinem Bild an zwei Herrscher, die die Unzufriedenheit ihrer Bevölkerung ignoriert hatten: Ludwig XVI. von Frankreich, der während der Französischen Revolution hingerichtet wurde, und Erich Honecker, Staatsratsvorsitzender der DDR. Dem Maler ist es jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass wir alle in bestimmten Bereichen gleichgültig und desinteressiert sind – und das in zuverlässiger Beständigkeit

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