Vertiefung

Fluchtversuchestoppen

Bau und Ausbau der Mauer: Verhinderung von Fluchtversuchen

Bis zum Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 nutzen fluchtwillige Bürger der DDR West-Berlin als letztes Schlupfloch. Dort war ein Wechsel zwischen Ost und West noch möglich, während die Grenze zur Bundesrepublik seit 1952 mit einem dreifach gestaffelten Sperrgebiet ausgebaut wurde. Von 1949 bis 1961 flohen mindestens 2,7 Millionen Menschen aus der DDR, davon war jeder zweite unter 25 Jahre alt. Im November 1957 wurde ein „unerlaubter Grenzübertritt“ unter Strafe gestellt und mit bis zu drei Jahren Haft geahndet. Auch wer eine Flucht nur vorbereitete, dabei half oder dazu „verleitete“, konnte bestraft werden.

Nach dem Fall der Berliner Mauer konnte im Frühjahr 1990 eine Mitarbeiterin des Ost-Berliner Stadtplanungsamts die Mauer an der Mühlenstraße fotografieren. Zu sehen ist die Mauer, wie sie seit 1977 aussah, der leergeräumte Grenzstreifen, die Lampen der Lichttrasse, der Grenzzaun am Wasser und ein Wachturm.
Nach dem Fall der Berliner Mauer konnte im Frühjahr 1990 eine Mitarbeiterin des Ost-Berliner Stadtplanungsamts die Mauer an der Mühlenstraße fotografieren. Zu sehen ist die Mauer, wie sie seit 1977 aussah, der leergeräumte Grenzstreifen, die Lampen der Lichttrasse, der Grenzzaun am Wasser und ein Wachturm.

Die repressiven Maßnahmen der SED stoppten die Abwanderung aus der DDR nicht. Deswegen ließ die DDR-Führung im August 1961 ihre Bürgerinnen und Bürger einmauern. Ein „antifaschistischer Schutzwall“ sollte sie endgültig daran hindern, das Land zu verlassen. Zunächst bestand die Absperrung aus Stacheldraht und eilig hochgezogenen Mauern. Im Verlauf der Jahre wurde die Grenzbefestigung zu einem tief gestaffelten, breiten Grenzstreifen mit mehreren Sperrelementen ausgebaut. Im äußersten Fall sollten die DDR-Grenzsoldaten auf fliehende Menschen schießen, wenn die Flucht anders nicht zu verhindern war. Insgesamt wurden mindestens 101 Menschen bei Fluchtversuchen von DDR-Grenzsoldaten erschossen, weitere 39 kamen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben.

Fluchthilfe und Fluchtrouten

Trotz des hohen Risikos ließen sich viele nicht von einer Flucht abhalten. Hunderttausende Menschen schafften es zwischen 1961 und 1989 in den Westen zu gelangen. Mehr als 70.000 DDR-Bürgerinnen und -Bürger wurden aufgrund ihres Fluchtvorhabens zwischen 1961 und 1989 inhaftiert. Da der Weg über die Grenze allein besonders riskant und schwer zu bewerkstelligen war, verließen sich viele Fluchtwillige auf die Unterstützung von Fluchthelferinnen und -helfern.

Ein Boot der DDR-Grenztruppen vor dem Zaun am Ost-Berliner Ufer der Spree, 1980
Ein Boot der DDR-Grenztruppen vor dem Zaun am Ost-Berliner Ufer der Spree, 1980
Blick auf einen Abschnitt der Berliner Mauer in der Mühlenstraße, 25.01.1990
Blick auf einen Abschnitt der Berliner Mauer in der Mühlenstraße, 25.01.1990

Mit der Perfektionierung der innerdeutschen Grenze internationalisierten sich die Fluchthilfe und die Fluchtwege: Ab 1964 nahmen DDR-Bürgerinnen und -Bürger Fluchtrouten über die ungarischen, bulgarischen, tschechoslowakischen und polnischen Westgrenzen. In den 1970er Jahren stieg die Zahl der Fluchtvorhaben über die Ostblockländer erneut an, auch weil die Kontrollen dort als weniger streng und Strafen als geringer galten: Nur noch ein Drittel der Vorhaben erfolgte über die Transitstrecken zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik. Viele Menschen aus der DDR kamen nach ihren Urlaubsreisen in das westliche Ausland nicht in ihre Heimat zurück.

Die Zahl der Fluchtversuche nahm 1988 noch einmal stark zu. Der „Eiserne Vorhang“ bekam erste Löcher, als Ungarn die Grenzsperren zu Österreich abbaute. Dort kam es am 19. August 1989 zur größten Massenflucht seit dem Mauerbau. Am 10. September öffnete Ungarn für die DDR-Bürgerinnen und -Bürger die Grenze zu Österreich. Der „Eiserne Vorhang“ war gefallen, über 25.000 Menschen flüchteten in kürzester Zeit aus der DDR nach Österreich. Zur gleichen Zeit besetzten DDR-Bürgerinnen und -Bürger die bundesrepublikanischen Vertretungen in Warschau, Prag und Budapest und erzwangen so ihre Ausreise.

Das Ende der DDR

Die Flüchtlinge und die Menschen, die ausreisten oder die Botschaften besetzten rissen Löcher in die Grenze der DDR. Die deutsch-deutsche Entspannungspolitik und die internationalen Vereinbarungen widersprachen dem totalen (Aus-)Reiseverbot für DDR-Bürgerinnen und -Bürger. Auf der internationalen Pressekonferenz am Abend des 9. November 1989 informierte Politbüro-Mitglied Günter Schabowski, dass es „ab sofort, unverzüglich“ jedem erlaubt sei, aus der DDR auszureisen. Die Konferenz wurde live auch im Westen übertragen. Die Meldung „DDR öffnet Grenze“ verbreitete sich in Sekundenschnelle. Damit löste Schabowski eine Dynamik aus, die an den Ost-Berliner Grenzübergängen nicht zu stoppen war. Der Untergang des DDR-Grenzregimes war besiegelt.

Auf den ca. 1968 von einem DDR-Grenzsoldaten, Wolfgang Böttger, aufgenommenen Foto ist die Rückseite der Hinterlandmauer zu sehen. An der Wasserkante sind Überreste der früheren Häuser zu erkennen, die jetzt die Uferbefestigung bilden.
Auf den ca. 1968 von einem DDR-Grenzsoldaten, Wolfgang Böttger, aufgenommenen Foto ist die Rückseite der Hinterlandmauer zu sehen. An der Wasserkante sind Überreste der früheren Häuser zu erkennen, die jetzt die Uferbefestigung bilden.

Weiterführende Informationen:

Hintergründe des Baus der Berliner Mauer: https://www.chronik-der-mauer.de/guidedtour/

Podcastfolge zum Mauerbau: Die Podcast-Reihe „Grenzerfahrung“ von der Stiftung Berliner Mauer entstand 2021 anlässlich des 60. Jahrestags des Mauerbaus und wurde gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. In der Folge „Stacheldraht, Sprungtücher und Proteste“ werden Hintergründe und Reaktionen auf die Abriegelung Berlins umfangreich erläutert und von Expertinnen und Experten dargestellt. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erinnern sich an den Mauerbau. https://www.stiftung-berliner-mauer.de/de/stiftung/podcast-grenzerfahrung

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