Vertiefung

EntstehungundErhaltderEastSideGallery

Wer sind die Künstlerinnen und Künstler der East Side Gallery?

An der East Side Gallery konnten alle mitmachen, die mit ihrer Kunst die Mauer verändern wollten. Der East Side Gallery-Initiator David Monty lud die Mitglieder der ost- und westdeutschen Künstlerverbände ein. Außerdem warb er mit Zeitungsanzeigen und Radioaufrufen für sein Projekt. Viele Künstlerinnen und Künstler wurden zudem durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder direkt angesprochen.

„Wir waren alle sehr happy, wir waren alles sehr euphorisch: Kuck mal, es ist phantastisch! […] Da war diese Euphorie – und dann dachte man: Auf was male ich hier? Wie wichtig ist das, was für einen Hintergrund hat es, was ist mit den Leuten, die gestorben sind – und dann war man ruhig.“

Margaret Hunter darüber, wie es 1990 war, auf die Berliner Mauer zu malen, 2021

Danach jedoch verlief das Prozedere immer gleich: Wer sich beteiligen wollte, reichte Skizzen für ein Mauerbild ein, die von David Montys Assistentin Christine MacLean freigegeben wurden. Entscheidend war, dass die Skizze im Sinne der Auflage des DDR Ministerrates „im humanistischen Geiste“ stand und sich mit den Themen Freiheit, Menschenrechte oder Umweltschutz beschäftigte. Es gab aber auch Künstlerinnen und Künstler, die das Prozedere nicht kannten oder es umgehen wollten und spontan und ungefragt auf die Mauer malten.

Christine MacLean und Muriel Raoux im Gespräch an der East Side Gallery, 1990
Christine MacLean und Muriel Raoux im Gespräch an der East Side Gallery, 1990
Sigrid Müller-Holtz malt an der East Side Gallery, 1990
Sigrid Müller-Holtz malt an der East Side Gallery, 1990

Die Künstlerinnen und Künstler kamen aus 21 Ländern. Die meisten Kunstschaffenden befanden sich 1990 gerade in Berlin oder in Deutschland. Die Hälfte lebte in Ost-Berlin oder der DDR. Sie waren im Durchschnitt 30 Jahre alt, als sie auf die Mauer malten. Einige hatten Kunst studiert oder gelernt und verdienten damit ihr Geld. Andere standen am Anfang ihrer Karriere, für sie war es das erste Mal, im öffentlichen Raum auf eine große Fläche zu malen. Und wieder andere malten nur dieses eine öffentliche Bild.

Die 118 Künstlerinnen und Künstler malten von Februar bis September 1990, oft mehrere Tage lang, weil die Abgase an der Straße das Atmen erschwerten. Wer schon zu Beginn 1990 malte, kam häufig ins Gespräch mit den Menschen, die am Grenzübergang Oberbaumbrücke entlang der Mauer anstanden oder sprach auch mit den DDR-Grenzsoldaten. Im Herbst war die Situation anders, häufig malten die Künstlerinnen und Künstler jetzt allein und es gab weniger Gespräche mit Vorbeigehenden. Erst bei der Eröffnungsfeier am 28. September 1990 lernten sich alle Künstlerinnen und Künstler kennen.

Dr. Narendra Jain, einer der ersten Künstler, die sich 1990 an der East Side Gallery beteiligten
Dr. Narendra Jain, einer der ersten Künstler, die sich 1990 an der East Side Gallery beteiligten

Erhalt der East Side Gallery 1990/91: Die „Wuva“, die Kunstschaffenden und die Stadtverwaltung

Im Februar 1990 erhielt David Monty, neben Heike Stephan Initiator der „East Side Gallery GDR“, die schriftliche Erlaubnis für die Bemalung der Mauer an der Mühlenstraße vom DDR-Ministerrat. So begann die Kunstaktion, aus der die längste Open-Air-Galerie der Welt entstehen sollte. Fast zeitgleich schloss am 1. März 1990 der Rat des Stadtbezirks Friedrichshain einen Vertrag über die Nutzung der Mauer als Werbefläche mit der neu gegründeten „Werbe- und Veranstaltungsgesellschaft GmbH“, kurz „Wuva“. So gab es im Frühjahr 1990 zwei Projekte für den Mauerabschnitt an der Mühlenstraße, die mit unterschiedlichem Erfolg umgesetzt wurden: Die Bemalung durch die Kunstschaffenden ging langsam aber stetig voran, während die Werbeambitionen der Wuva nicht gut angenommen wurden. Dennoch wurden, besonders zu den Wahlen am 18. März 1990, Plakate an der Mauer angebracht, die die Künstlerinnen und Künstler vor der Bemalung entfernten. Die Wuva stieg in das Projekt „East Side Gallery GDR“ ein

Im April 1990 zog sich David Monty aus dem Projekt „East Side Gallery GDR“ zurück. Seine Assistentin Christine MacLean übernahm die Organisation des Projekts. Sie einigte sich mit der Wuva und deren Geschäftsführer Rainer Uhlmann auf eine Zusammenarbeit. Die Wuva unterstützte die Bemalung nun finanziell und zahlte MacLean ein Gehalt. Zudem setzte die Agentur Verträge mit den Künstlerinnen und Künstlern auf, in denen sie ihre Rechte für die Vermarktung der Bilder für 5 Jahre an die Wuva abtreten und nach Deckung der Kosten pauschal 500 DM für die Bemalung erhalten sollten. Die Wuva plante außerdem eine Welttournee der bemalten Mauerteile mit anschließender Versteigerung, an deren Gewinn die Kunstschaffenden beteiligt werden sollten. Einige Künstlerinnen und Künstler unterschrieben diese Verträge. Derweil organisierte die Wuva die Produktion und den Verkauf von mit Kunstwerken bedruckten Postkarten, T-Shirts und anderen Souvenirs. Am Erlös sollten die Künstlerinnen und Künstler beteiligt werden, es kam jedoch nicht zu einer Auszahlung. Auch die angekündigten 500 DM für die Bemalung erhielten die wenigsten.

Die Wuva organisierte 1990 den Verkauf von T-Shirts und anderen Souveniren an der East Side Gallery
Die Wuva organisierte 1990 den Verkauf von T-Shirts und anderen Souveniren an der East Side Gallery

Die East Side Gallery – erhalten, verkaufen oder versetzen?

Die Wuva hatte große Pläne für die East Side Gallery. Für eine Welttournee und Versteigerung der Galerie fehlte ihr jedoch die rechtliche Grundlage. Deswegen verhandelte sie zusammen mit Christine MacLean mit dem Bezirk Friedrichshain über einen neuen Vertrag, der jedoch nicht abgeschlossen wurde. Zu unklar waren die Zuständigkeiten für den ehemaligen Grenzabschnitt, zu angeregt die öffentlichen und internen Diskussionen um Erhalt, Abriss oder Versetzung der Mauer. Auch die Künstlerinnen und Künstler der East Side Gallery hatten unterschiedliche Ansichten. Die „Interessensgemeinschaft Mauermaler Mühlenstraße“, bestehend aus 12 Künstlerinnen und Künstler, setzte sich für den Erhalt der Mauer, die Selbstbestimmung der Kunstschaffenden und ein Vorkaufsrecht des Bezirks ein. Sie befürwortete zwar den Verkauf einzelner Mauerteile, lehnte jedoch eine Tournee ab und kündigte die Verträge mit der Wuva. Als zweite Gruppe gründete sich ein „Galeriebeirat“, bestehend aus sechs Künstlerinnen und Künstlern, Angehörigen der Wuva und einem Senatsmitglied. Der Beirat sprach sich für eine Tournee mit anschließender Rückkehr nach Berlin aus.

Der Weg zum Denkmalschutz

Ende des Jahres 1990 kündigte der Bezirk den Nutzungsvertrag mit der Wuva. So gab diese im April 1991 ihre Pläne für eine Welttournee auf, auch aufgrund mangelnder finanzieller Mittel. Stattdessen bemühte die Wuva sich um die Erlaubnis des Bezirks, einzelne Kunstwerke aus der Mauer herauszulösen und zu verkaufen. Der Künstler Fulvio Pinna setzte sich dagegen im Mai 1991 aktiv zu Wehr, indem er den Denkmalschutz für sein Kunstwerk beantragte. Die Bezirksverwaltung sprach sich derweil für eine Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern aus und nicht mehr mit der Wuva. So wurde ein weiterer Künstlerbeirat gegründet, der sich für einen Verbleib der East Side Gallery an ihrem Standort Mühlenstraße aussprach. Im Juni 1991 kündigte der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz Volker Hassemer eine Unterschutzstellung der East Side Gallery an. Mit der Eintragung in die Landesdenkmalliste am 15. November 1991 waren die Diskussionen über einen (Teil-)Verkauf der East Side Gallery beendet, die Wuva zog sich zurück.

Zeitzeugen erinnern sich

Wie war es auf die Mauer zu malen?
Margaret Hunter

Wie bist Du zur East Side Gallery gekommen?
Mirta Domacinovic

Wie kamst Du zur East Side Gallery?
Gabriel Heimler

Wie kamst du zur East Side Gallery?
Karina Bjerregaard

Was darf an die East Side Gallery?
Dmitry Vrubel

Wie kamst Du zur East Side Gallery?
Jim Avignon

Das Bemalen der Mauer
Catrin Resch

Wie kamst Du zur East Side Gallery?
Ignasi Blanch

Wie kamst Du zur East Side Gallery?
Teresa Casanueva

Wie kamt ihr zur East Side Gallery und zu Eurem Bildmotiv
Ines Bayer und Raik Hönemann

Malaktion im Sommer 1990
Ines Bayer und Raik Hönemann

Malaktion 1990
Gábor Simon

Die Malaktion an der East Side Gallery
Siegrid Müller-Holtz

Malen auf der Berliner Mauer
Hervé Morlay

Malen auf die Mauer – ohne Genehmigung?
Ursula Wünsch

Für Malwasser durch Grenzkontrollen
Günther Schaefer

Die Idee zur East Side Gallery
Heike Stephan

"Die Zeiten sind vorbei, wo ich nach Erlaubnis frage": Beteiligung an der East Side Gallery
Birgit Kinder

Pressekonferenz und Grenzregime nach der Maueröffnung
Günther Schaefer

Motivation und Ausstieg aus dem Projekt
Heike Stephan

Malaktion 1990: Internationales Symbol für den Mauerfall
Teresa Casanueva

Weiterführende Informationen:

Podcastfolge zum Umgang mit den Überresten der Berliner Mauer: Die Podcast-Reihe „Grenzerfahrung“ von der Stiftung Berliner Mauer entstand 2021 anlässlich des 60. Jahrestags des Mauerbaus und wurde gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Die Folge „Teilung – Einheit – Mauerspuren“ fragt nach dem Umgang mit den historischen Spuren der Teilung in Berlin. Expertinnen und Experten diskutieren über die Bedeutung der Spuren als Erinnerungs- und Bildungsorte, u.a. geht es um den Erhalt der East Side Gallery aus der Sicht der Stiftung Berliner Mauer und des Künstlers Günther Schaefer. In dieser Folge geht es außerdem um die Auswirkungen des Mauerfalls und des Vereinigungsprozesses auf Menschen, die als nicht Deutsch gelesen wurden. https://www.stiftung-berliner-mauer.de/de/stiftung/podcast-grenzerfahrung

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