Vertiefung

MauerbilderinWest-Berlin

Die bemalte Berliner Mauer am Potsdamer Platz in Berlin-Kreuzberg, 1987
Die bemalte Berliner Mauer am Potsdamer Platz in Berlin-Kreuzberg, 1987

„Ich wollte Ost-Berlin mit Kunst einschließen und quasi ein Museum daraus machen“

Kiddy Citny erklärt, warum er die Mauer von West-Berlin aus bemalte, 2021

Anfänge der West-Berliner Mauerkunst

Seit der Errichtung der Grenzsperren im August 1961 beschrieben Menschen in West-Berliner die Berliner Mauer. In den Parolen äußerten sie ihre Wut über die Mauer und die Teilung der Stadt. Sie kommentierten die Ereignisse in Ost-Berlin, wenn zum Beispiel ein Flüchtling bei seinem Fluchtversuch erschossen wurde. Zu den Protestäußerungen über die Mauer kamen später Slogans von der Friedensbewegung und anderen Gruppierungen hinzu.

Schriftzug „KZ DDR“ auf der West-Berliner Mauerseite in der Liesenstraße, Berlin-Wedding, 1961/1962
Schriftzug „KZ DDR“ auf der West-Berliner Mauerseite in der Liesenstraße, Berlin-Wedding, 1961/1962
Auch auf der Mauer an der Oberbaumbrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg stand 1961 der Vergleich des SED-Regimes mit einem nationalsozialistischen Konzentrationslager
Auch auf der Mauer an der Oberbaumbrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg stand 1961 der Vergleich des SED-Regimes mit einem nationalsozialistischen Konzentrationslager
Protest gegen die Teilung Berlins an der Westseite der Grenzmauer in der Bernauer Straße / Schwedter Straße in Berlin-Wedding, 1962
Protest gegen die Teilung Berlins an der Westseite der Grenzmauer in der Bernauer Straße / Schwedter Straße in Berlin-Wedding, 1962

Die 1980er Jahre

Bunte Köpfe auf der „Grenzmauer 75“ in Berlin- Kreuzberg, zwischen 1987 und 1989
Bunte Köpfe auf der „Grenzmauer 75“ in Berlin- Kreuzberg, zwischen 1987 und 1989

Die Kommentare auf der Berliner Mauer wurden mit der Zeit vielfältiger. Mitte der 1970er Jahre ließ die DDR-Regierung die „Grenzmauer 75“ errichten. Die 3,6 Meter hohen Elemente dieses Mauertyps waren glatt und weiß grundiert. Die SED-Regierung schuf damit die Voraussetzung für einen perfekten Maluntergrund und löste den Beginn der Hochphase der Mauerkunst in West-Berlin aus. In Kreuzberg entdeckten in den frühen 1980er Jahren zwei Franzosen, Thierry Noir und Christophe Bouchet, die neue Mauer und gestalteten sie mit schnell gemalten, großflächigen, bunten Bildern. Sie wollten Farbe auf die Mauer bringen und ihr das erdrückende Grau nehmen. Auch Kiddy Citny, Indiano und Jonathan Borofsky bemalten Meter um Meter und veränderten so das Aussehen vieler Kreuzberger Straßen. Ab Mitte der 1980er Jahre fanden sich erste Graffiti-Writings auf der Berliner Mauer, inspiriert vom New Yorker U-Bahn-Graffiti. Für Jugendliche war die Mauer eine Möglichkeit, an einem Ort sichtbar zu werden, der für Berlin bedeutsam war. Mit Graffiti, politischen und anderen Parolen behaupteten sie ihren Platz in der Stadt.

Die Bemalung der Mauer war nicht ohne Risiko, denn sie stand vollständig auf DDR-Staatsgebiet. Durch kleine Türen konnten die DDR-Grenzsoldaten vor die Mauer treten, um dort Reparaturen auszuführen. Bei diesen Gelegenheiten dokumentierten sie die Bilder. Anfangs übermalten sie die Bilder noch, später duldeten sie sie. In einigen Fällen öffneten DDR-Grenzsoldaten die Türen und zerrten Jugendliche, die auf die Mauer malten, nach Ost-Berlin und verhafteten sie.

Mauerkünstlerinnen und Mauerkünstler spielten auch mit der Mauer als Objekt, wie hier durch die Ergänzung eines Schultischs und Stuhls an der Mauer am Potsdamer Platz 1986
Mauerkünstlerinnen und Mauerkünstler spielten auch mit der Mauer als Objekt, wie hier durch die Ergänzung eines Schultischs und Stuhls an der Mauer am Potsdamer Platz 1986

„Die Bevölkerung, die da wohnte, die fand das auch toll: ‚Endlich wird dieses hässliche Ding bunt und ihr malt da schöne Bilder drauf‘. […] Mit der Zeit kamen dann auch die Touristenbusse und es wurde als die neue Kunstform von West-Berlin gesehen.“

Kiddy Citny über den Erfolg der Mauerkunst in West-Berlin, 2021

Mauerkunst als Symbol und Verkaufsschlager

Die Mauerkunst veränderte den Anblick der Berliner Mauer fundamental. Die bunten Bilder machten sie zu einem Symbol für die künstlerische und gesellschaftliche Freiheit und Vielfalt West-Berlins. Mauerkunst und Graffiti wurden weltweit zum Wahrzeichen West-Berlins. Dabei geriet die brutale Funktion der Mauer in den Hintergrund, ein Grund für einige, Mauerkunst als Verharmlosung zu kritisieren.

Ein Mann schlägt Mauerstücke aus der ehemaligen Grenzmauer, 1990
Ein Mann schlägt Mauerstücke aus der ehemaligen Grenzmauer, 1990

Nach der Maueröffnung am 9. November 1989 wurde das Wahrzeichen zur Abbruchstelle für Souvenirs. Private und professionelle Mauerspechte schlugen Erinnerungsstücke ab, um sie als Erinnerungsstücke aufzubewahren oder zu verkaufen. Auch Unternehmen aus der ganzen Welt starteten einen Handel mit den Mauerstücken. Die bankrotte DDR profitierte ebenfalls. Über die Außenhandelsfirma Limex verkaufte die SED-Regierung Mauersegmente und erwirtschaftete allein bis Mitte April 1990 rund 900.000 D-Mark (damals etwa 2.700.000 DDR-Mark). Zwei Monate später fand die größte Auktion von Mauersegmenten in Monaco statt. Ohne Zustimmung der Künstler wurden Mauerteile mit Bildern von Thierry Noir und Kiddy Citny verkauft. Beide klagten später erfolgreich auf eine Gewinnbeteiligung. Am 13. Juni 1990 begann der vollständige Abbau und die Entsorgung der Grenzanlagen, die fortan als Baumaterial eingesetzt wurden. Auch in diesem Rahmen fanden Mauerteile mit Bildern berühmter Künstler Eingang in private Sammlungen. Weitere wurden an Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken oder z.B. Landesvertretungen übergeben. An vielen Orten in der Welt erinnern Mauersegmente an die friedliche Überwindung des Kalten Krieges.

Zeitzeugen erinnern sich

Kindheitstraum auf die Mauer malen
Thomas Klingenstein

Über den frühen Wunsch, auf die Mauer zu malen
Birgit Kinder

Mauerkunst auf der Westseite
Lutz Pottien

Eindrücke aus West-Berlin vor
Greta Ida Csatlos

Mauerkünstler schon vor 1989 in West-Berlin
Sandor Györffy

Als Mauerkünstler in West-Berlin
Kiddy Citny

Weiterführende Informationen:

Vom Ausverkauf der Berliner Mauer: https://www.berliner-mauer-weltweit.eu/sachtexte/beton-zu-geld/

Die Berliner Mauer in der Welt – eine interaktive Karte: http://www.berliner-mauer-weltweit.eu

Thierry Noir über Mauerkunst und die Auktion in Monaco: https://www.podcast.de/episode/568109909/1990-berlin-im-wandel-7

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