
„Ich wollte Ost-Berlin mit Kunst einschließen und quasi ein Museum daraus machen“
Anfänge der West-Berliner Mauerkunst
Seit der Errichtung der Grenzsperren im August 1961 beschrieben Menschen in West-Berliner die Berliner Mauer. In den Parolen äußerten sie ihre Wut über die Mauer und die Teilung der Stadt. Sie kommentierten die Ereignisse in Ost-Berlin, wenn zum Beispiel ein Flüchtling bei seinem Fluchtversuch erschossen wurde. Zu den Protestäußerungen über die Mauer kamen später Slogans von der Friedensbewegung und anderen Gruppierungen hinzu.



Die 1980er Jahre

Die Kommentare auf der Berliner Mauer wurden mit der Zeit vielfältiger. Mitte der 1970er Jahre ließ die DDR-Regierung die „Grenzmauer 75“ errichten. Die 3,6 Meter hohen Elemente dieses Mauertyps waren glatt und weiß grundiert. Die SED-Regierung schuf damit die Voraussetzung für einen perfekten Maluntergrund und löste den Beginn der Hochphase der Mauerkunst in West-Berlin aus. In Kreuzberg entdeckten in den frühen 1980er Jahren zwei Franzosen, Thierry Noir und Christophe Bouchet, die neue Mauer und gestalteten sie mit schnell gemalten, großflächigen, bunten Bildern. Sie wollten Farbe auf die Mauer bringen und ihr das erdrückende Grau nehmen. Auch Kiddy Citny, Indiano und Jonathan Borofsky bemalten Meter um Meter und veränderten so das Aussehen vieler Kreuzberger Straßen. Ab Mitte der 1980er Jahre fanden sich erste Graffiti-Writings auf der Berliner Mauer, inspiriert vom New Yorker U-Bahn-Graffiti. Für Jugendliche war die Mauer eine Möglichkeit, an einem Ort sichtbar zu werden, der für Berlin bedeutsam war. Mit Graffiti, politischen und anderen Parolen behaupteten sie ihren Platz in der Stadt.
Die Bemalung der Mauer war nicht ohne Risiko, denn sie stand vollständig auf DDR-Staatsgebiet. Durch kleine Türen konnten die DDR-Grenzsoldaten vor die Mauer treten, um dort Reparaturen auszuführen. Bei diesen Gelegenheiten dokumentierten sie die Bilder. Anfangs übermalten sie die Bilder noch, später duldeten sie sie. In einigen Fällen öffneten DDR-Grenzsoldaten die Türen und zerrten Jugendliche, die auf die Mauer malten, nach Ost-Berlin und verhafteten sie.

„Die Bevölkerung, die da wohnte, die fand das auch toll: ‚Endlich wird dieses hässliche Ding bunt und ihr malt da schöne Bilder drauf‘. […] Mit der Zeit kamen dann auch die Touristenbusse und es wurde als die neue Kunstform von West-Berlin gesehen.“
Mauerkunst als Symbol und Verkaufsschlager
Die Mauerkunst veränderte den Anblick der Berliner Mauer fundamental. Die bunten Bilder machten sie zu einem Symbol für die künstlerische und gesellschaftliche Freiheit und Vielfalt West-Berlins. Mauerkunst und Graffiti wurden weltweit zum Wahrzeichen West-Berlins. Dabei geriet die brutale Funktion der Mauer in den Hintergrund, ein Grund für einige, Mauerkunst als Verharmlosung zu kritisieren.

Nach der Maueröffnung am 9. November 1989 wurde das Wahrzeichen zur Abbruchstelle für Souvenirs. Private und professionelle Mauerspechte schlugen Erinnerungsstücke ab, um sie als Erinnerungsstücke aufzubewahren oder zu verkaufen. Auch Unternehmen aus der ganzen Welt starteten einen Handel mit den Mauerstücken. Die bankrotte DDR profitierte ebenfalls. Über die Außenhandelsfirma Limex verkaufte die SED-Regierung Mauersegmente und erwirtschaftete allein bis Mitte April 1990 rund 900.000 D-Mark (damals etwa 2.700.000 DDR-Mark). Zwei Monate später fand die größte Auktion von Mauersegmenten in Monaco statt. Ohne Zustimmung der Künstler wurden Mauerteile mit Bildern von Thierry Noir und Kiddy Citny verkauft. Beide klagten später erfolgreich auf eine Gewinnbeteiligung. Am 13. Juni 1990 begann der vollständige Abbau und die Entsorgung der Grenzanlagen, die fortan als Baumaterial eingesetzt wurden. Auch in diesem Rahmen fanden Mauerteile mit Bildern berühmter Künstler Eingang in private Sammlungen. Weitere wurden an Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken oder z.B. Landesvertretungen übergeben. An vielen Orten in der Welt erinnern Mauersegmente an die friedliche Überwindung des Kalten Krieges.
Zeitzeugen erinnern sich
Weiterführende Informationen:
Vom Ausverkauf der Berliner Mauer: https://www.berliner-mauer-weltweit.eu/sachtexte/beton-zu-geld/
Die Berliner Mauer in der Welt – eine interaktive Karte: http://www.berliner-mauer-weltweit.eu
Mauerkunst jetzt auch in Ost-Berlin