Vertiefung

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Versetzte Kunstwerke

An der East Side Gallery wurden vier Kunstwerke von ihrem originalen Standort in die Grünanlage hineinversetzt. Die Lücken in der Galerie waren erforderlich, um Zufahrten zu neuen Häusern und eine Bootsanlegestelle für die Mercedes-Benz-Arena zu schaffen.

Kikue Miyatake: „Paradise out of the Darkness“

Kikue Miyatake, Paradise out of the Darkness im Zustand von 1997
Kikue Miyatake, Paradise out of the Darkness im Zustand von 1997

Kikue Miyatake schuf als einzige an der East Side Gallery beteiligte Japanerin das abstrakte Bild „Paradise out of the Darkness”. Ein blauer Ring symbolisiert die gemeinsame Kraft der beiden deutschen Staaten, Farbwolken den „Blütenrhythmus der Liebe“ – das Bild sollte Farbe und Hoffnung an die damals graue Mühlenstraße bringen. Kikue Miyatake wollte damit auch ihre Hoffnung ausdrücken, dass nach dem Ende des Kalten Krieges Frieden und Freiheit herrschen würden. Die Bilder der vielfach ausgezeichneten Künstlerin und Juristin wurden weltweit ausgestellt.

Kikue Miyatake, Paradise out of the Darkness, 2009
Kikue Miyatake, Paradise out of the Darkness, 2009

Kikue Miyatakes Bild war 1998 das erste, das in den früheren Grenzstreifen hineinversetzt wurde. So entstand eine Zufahrt zum früheren Getreidespeicher, in dem sich Mitte der 1990er-Jahre eine Diskothek befand.

Kikue Miyatake: „Paradise out of the Darkness“

Wjatscheslaw Schljachow: „Die Masken“

Das Bild „Die Masken“ zeigt eine bröckelnde Maske und eine kraftvolle Figur. Wjatscheslaw Schljachow alias Irkut Slawin wollte darstellen, dass die deutsche Gesellschaft in der Umbruchsituation ihre Maske abwerfen musste, sich aber gleich eine neue aufzog. Damit habe sich ihr Aussehen geändert, ihr Wesen sei aber gleich geblieben. Der studierte Jurist, Künstler, Politikwissenschaftler und Publizist zog 1983 mit seiner deutschen Familie in die DDR. Wjatscheslaw Schljachow kehrte später nach Russland zurück, er verstarb 2021.

Wjatscheslaw Schljachow, Die Masken, 2020
Wjatscheslaw Schljachow, Die Masken, 2020
Wjatscheslaw Schljachow, Die Masken, 1990
Wjatscheslaw Schljachow, Die Masken, 1990

Die Herausnahme von Schljachows Bild war die größte Umsetzungsaktion. Sie verlief dennoch ohne öffentlichen Protest aus der Zivilgesellschaft. Die Anschutz Entertainment Group ließ die 40 Mauerteile 2006 für ihre Bootsanlegestelle in den Park versetzen.

Wjatscheslaw Schljachow: „Die Masken“

Karina Bjerregaard und Lotte Haubart: „Himlen over Berlin“

Das Bild von Karina Bjerregaard und Lotte Haubart steht für die Freude über die Maueröffnung. Es ist inspiriert von Wim Wenders Film, „Himmel über Berlin“ und Liedern der Sängerin Nina Hagen. Die Künstlerinnen entdeckten den Aufruf zur Beteiligung an der Galerie in einer dänischen Tageszeitung und reisten zwei Tage später nach Berlin.

„Ich kann die Notwendigkeit verstehen, vielleicht einen Teil des Landes hinter der Berliner Mauer zu nutzen, [...] aber ich denke, es ist respektlos, unser Gemälde einfach herauszuschneiden."

Karina Bjerregaard über die Versetzung ihres Bildes, 2021.

Karina Bjerregaard und Lotte Haubart, Himlen over Berlin, 1997
Karina Bjerregaard und Lotte Haubart, Himlen over Berlin, 1997

Das Kunstwerk musste für eine Zufahrt des Wohnhochhauses „Living Levels“ weichen. Gegen die Entnahme gab es im Jahr 2013 laute Proteste, Demonstrationen und Bürgerinitiativen. Sie verhinderten, dass weitere Mauerteile für eine noch breitere Zufahrt entnommen wurden und führten schließlich zu der Entscheidung der Berliner Landesregierung, keine weiteren Bauvorhaben an der East Side Gallery zu genehmigen.

Karina Bjerregaard und Lotte Haubart, Himlen over Berlin, 2009
Karina Bjerregaard und Lotte Haubart, Himlen over Berlin, 2009

Karina Bjerregaard war traurig darüber, dass ihr gemeinsam mit Lotte Haubart geschaffenes Kunstwerk nicht mehr Teil des Gesamtkunstwerks East Side Gallery ist. Sie kritisierte, dass es am abseitigen Standort oft beschmiert wurde. Auch heute noch empfindet Bjerregaard Übermalungen als respektlos.

Karina Bjerregaard und Lotte Haubart: „Himlen over Berlin“

Mirta Domacinovic: „Zeichen in der Reihe“

Das Bild von Mirta Domacinovic zeigt Symbole für Krieg, Folter, Vergewaltigung und Diktatur. Die Malerin drückte damit ihre Sorgen über den erstarkten Nationalismus in Jugoslawien aus. Sie war 1981 mit ihrer Familie aus Jugoslawien (Kroatien) nach Westdeutschland ausgewandert und studierte Kunst und Malerei.

„Zeichen in der Reihe“ war bereits seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr als ein Kunstwerk erhalten. Es wurde das erste Mal im Zusammenhang mit der Räumung der Wagenburg 1996 bewegt. Weitere Segmente ließ die Firma Trockland für einen Zugang zu ihrem Hotel- und Wohnkomplex „Pier 61 I 64“ in den Park versetzen. Seit 2022 ist das Kunstwerk wieder zusammengefügt.

Mirta Domacinovic, Zeichen in der Reihe, 2009
Mirta Domacinovic, Zeichen in der Reihe, 2009

„Die Frage ist, ob es nicht doch auch parallel geht. Also, dass man beides irgendwie macht, dass die Mauer trotzdem stehen bleibt.“

Mirta Domacinovic über den Grundstücksverkauf und die Herausnahme ihres Bildes, 2021

Bereits 1997 waren vermutlich für Baufahrzeuge Teile des Bildes “Zeichen in der Reihe” entnommen und am Stralauer Platz aufgestellt worden

Fragt man Mirta Domacinovic heute, so freut sie sich schon über die Lebendigkeit und Entwicklung der Gegend um die East Side Gallery, aber die Umsetzung ihres Kunstwerks ärgerte sie. Sie hätte sich noch mehr Gleichzeitigkeit von Stadtentwicklung und der Bewahrung der Galerie gewünscht.

Mirta Domacinovic: „Zeichen in der Reihe“

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